Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Anlagerichtlinien für Stiftungen: Warum sie einen hilfreichen Kompass für Vorstände darstellen

Laut einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Stiftungen besitzt inzwischen mehr als die Hälfte der Stiftungen Anlagerichtlinien. Sie regeln wichtige Grundsätze der Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens und unterstützen Stiftungsvorstände bei Anlageentscheidungen. In unserem Magazin-Beitrag informieren wir Sie über Ziele, Inhalt und Aufbau von Anlagerichtlinien und die größten Argumente für ihre Erstellung.

Dem Vermögen kommt bei einer Stiftung – im Unterschied zu anderen gemeinnützigen Rechtsformen – eine existenzielle Bedeutung zu. Denn eine Stiftung ist letztlich „nur“ eine Vermögensmasse, die einen oder mehreren, meist steuerbegünstigten Zwecken, in der Regel auf Dauer gewidmet ist. Aufgrund dieses enormen Stellenwerts des Vermögens sollte es eines der Hauptziele eines Stiftungsvorstands sein, dieses ihm „zu treuen Händen anvertraute Gut“ langfristig zu erhalten und bestenfalls zu mehren.

Neben Satzungsbestimmungen können Anlagerichtlinien – insbesondere in „wirtschaftlich turbulenten Zeiten“, in denen bestehende Anlageformen hinterfragt und neue diskutiert werden – bindende Vorgaben für die Vermögensverwaltung vorsehen und so zur Entscheidungssicherheit von Stiftungsorganen beitragen.

Dies ist auch deswegen sinnvoll, da die Verwaltung des Stiftungsvermögens nur in Grundzügen gesetzlich geregelt wird.1 Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat die im Juli 2023 in Kraft getretene Stiftungsrechtsreform zum Anlass genommen, seine Handlungsempfehlungen für Anlagerichtlinien zu überarbeiten.

Inhalt und Aufbau von Anlagerichtlinien

Der Stifterwille und der sich aus ihm ergebende Stiftungszweck bilden auch bei der Erstellung von Anlagerichtlinien entscheidende Orientierungspunkte. Optimalerweise bringt sich der noch lebende Stifter aktiv in diesen Prozess mit ein. Im Falle bereits verstorbener Stifter gilt es, dessen Willen in Bezug auf die Vermögensanlage nach bestem Wissen und Gewissen festzustellen und zu beachten. Auch wenn es Gremienmitglieder geben mag, die im Bereich der Vermögensanlage über große und unter Umständen größere Expertise als der Stifter selbst verfügen, ist ihm Vorrang gegenüber übrigen Ansichten zu gewähren. Sollten bereits vom Stifter Vorgaben zur Vermögensanlage in der Satzung niedergelegt worden sein, sind diese in die Anlagerichtlinien aufzunehmen. In jedem Fall sollten Satzung und Richtlinien inhaltlich übereinstimmen bzw. sich nicht widersprechen. Im Zweifelsfall stehen die in der Satzung manifestierten Vorgaben über den in der Anlagerichtlinie festgeschriebenen.

Da jede Stiftung einzigartig ist, eigene Ziele, Strukturen und Rahmenbedingungen hat, sind Anlagerichtlinien stets individuell zu formulieren. Das mag auch der Grund sein, warum der Bundesverband Deutscher Stiftungen selbst seinen Mitgliedern keine Muster-Richtlinien zur Verfügung stellt, sondern lediglich auf bestehende Anlagerichtlinien verschiedener Stiftungen zur Orientierung verweist. Ihr Aufbau ist aber grundsätzlich sehr ähnlich. Sie enthalten zumeist eine Präambel, einen Abschnitt zur Anlagestrategie, Anlagezielen und Anlagegrenzen, einen Abschnitt zur Zuständigkeit und Haftung sowie einen Abschnitt zur Berichterstattung und Überprüfung.

Eine Präambel nennt gewöhnlich die für die Vermögensanlage relevanten Bestimmungen aus der Satzung. Auch der (u. U. mutmaßliche) Stifterwille kann hier in einer besonderen Form noch einmal als Leitmotiv zum Ausdruck gebracht werden ebenso wie Wertvorstellungen für die Vermögensanlage, die den ideellen Zielen der Stiftung entsprechen.2

Im Abschnitt zur Anlagestrategie legen die Verfasser üblicherweise dar, welche Ziele bei der Vermögensanlage im Zentrum stehen und welche Prioritäten sie setzen.

Denn hier gilt es zwischen drei Dimensionen – der Rentabilität (Festlegung der erwarteten Rendite), der Sicherheit (Festlegung des akzeptierten Risikos) und der Liquidität (Festlegung der angestrebten Erträge und Ausschüttungen) – abzuwägen. Dieses sogenannte „Magische Dreieck der Vermögensanlage“ wird vermehrt von einzelnen Stiftungen um eine zusätzliche Dimension, die der Nachhaltigkeit, im Sinne einer ökologisch-sozial-ethisch verantwortlichen Anlage, zu einem „Magischen Viereck der Vermögensanlage“ erweitert.3

Passend zu dieser strategischen Entscheidung sollten im Folgenden konkrete Vorgaben zu den Rendite- und Ertragszielen, zur Risikobereitschaft und ggf. zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien gemacht werden.

Entscheidungen von Stiftungen in diesem Bereich sollten von bestimmten Aspekten, wie einem langen Anlagehorizont, sind sie doch in der Mehrzahl für die „Ewigkeit“ errichtet, einem nicht vollständig Risiko scheuenden Vermögenserhaltungsstreben, einer Offenheit zur Diversifikation von Anlageformen4, einer Übereinstimmung von Stiftungszielen und Vermögensgewinnung5 sowie einem hinreichend großen Entscheidungsspielraum für die Stiftungsorgane geleitet sein.

Im Abschnitt zur Zuständigkeit und Haftung sind Regelungen zu den Verantwortlichkeiten für die Vermögensverwaltung zu treffen, wobei in der Regel der Vorstand, der die Stiftung im Rechtsverkehr vertritt und die Geschäfte führt, auch hier die Verantwortung trägt. Aber auch die Rolle eines Kuratoriums/Stiftungsrats, das beispielsweise eine Kontrollfunktion zur Einhaltung dieser Richtlinien durch den Vorstand ausübt, oder externe Vermögensberater bzw. -verwalter könnten hier zur Sprache kommen.

Hinsichtlich einer möglichen Haftung für (negative) Entscheidungen in der Vermögensanlage besteht aktuell die folgende Auffassung: Soweit der Stiftungsvorstand die Anlageentscheidungen selbst trifft, muss er diese Entscheidungen auf einer „angemessenen Informationsgrundlage“ treffen, damit für ihn ein haftungsfreier Ermessensspielraum greift. Bei den Geschäftsführungsentscheidungen, zu denen auch Anlageentscheidungen gehören, können sich Organe – seit der im Juli 2023 in Kraft getretenen Stiftungsrechtsreform – auf die sogenannte Business Judgement Rule (BJR) berufen, wie sie im BGB hinterlegt ist:

„Das Mitglied eines Organs hat bei der Führung der Geschäfte der Stiftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.“6

Auch wenn somit das Haftungsrisiko von Vorständen für Anlageentscheidungen, die zu Verlusten geführt haben, zur Verantwortung gezogen zu werden, stark gesunken ist, können Anlagerichtlinien auch in solchen Fällen zur besseren Nachvollziehbarkeit und zur Darlegung der Entscheidungsgründe zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung – im Wesentlichen gegenüber Aufsichtsbehörden – wesentlich beitragen. In der Begründung zum damaligen Gesetzesentwurf hieß es dementsprechend:

„Anlagerichtlinien, die der Stifter oder die jeweils zuständigen Organe aufstellen, können eine wichtige Grundlage für transparente und nachvollziehbare Anlageentscheidungen der Stiftungsorgane und die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte durch die zuständigen Organe (…) sein.“7

Haftungsfragen Dritter im Bereich der Vermögensanlage, z. B. eines Vermögensberaters bzw. -verwalters, sind separat zu betrachten. Auch für sie sollten die gesetzlichen Vorgaben wie die Bestimmungen der einzelnen Stiftungen höchste Priorität haben.

Im abschließenden Abschnitt zur Berichterstattung und Überprüfung sollte dargelegt werden, wie und auf welcher Grundlage der Stiftungsvorstand die Ergebnisse der Vermögensanlage kontrolliert und unter welchen Voraussetzungen Anpassungen vorgenommen werden.

Einzelne Stiftungen richten beispielsweise einen Finanzausschuss oder Anlagebeirat ein, der sich regelmäßig, zumeist unter Teilnahme von Vermögensverwaltern, trifft und über aktuelle Vermögens- und Marktentwicklungen austauscht. Andere wiederum setzen das Thema auf die Tagesordnung bestehender protokollierter Vorstandssitzungen. Auch so kann der Vorstand, unabhängig von der Frage, ob in diesen Sitzungen Anpassungen der Vermögensanlage erfolgen oder nicht, seiner Sorgfaltspflicht nachkommen und diese dokumentieren.

Auch die Anlagerichtlinien im Gesamten sollten als Ausdruck der Gesamtstrategie in der Vermögensverwaltung von Zeit zu Zeit auf ihre Aktualität hin überprüft und ggf. angepasst werden.

Der Nutzen übersteigt die Kosten ihrer Erstellung

Da der Gesetzgeber nur geringfügige Vorgaben zur Vermögensverwaltung gemacht hat, steht dem Stiftungsvorstand ein vergleichsweise großer Entscheidungsspielraum offen, wie das Vermögen der Stiftung angelegt werden soll, zumindest sofern auch der Stifter in der Gründungssatzung und etwaigen Folgesatzungen keine näheren Bestimmungen dazu gemacht hat. Somit grenzt eine Anlagerichtlinie als „Nebenordnung“ den Ermessensspielraum der für die Vermögensanlage verantwortlichen Personen zwar zunächst ein, gibt ihnen zugleich aber ein Grundgerüst an die Hand, das sie bei ihren Entscheidungen leiten und entlasten kann.

Der Prozess zu ihrer Erstellung mag zudem Zeit und ggf. auch Geld kosten, ist jedoch aufgrund der immensen Bedeutung des Stiftungsvermögens zur Realisierung des Stiftungszwecks, der großen Dynamik auf den Finanzmärkten und der spürbaren Entlastung von in der Mehrzahl ehrenamtlichen, in der Vermögensverwaltung unerfahrenen Stiftungsvorständen eine langfristig sinnvolle Investition.

Sollten Sie als Stiftungsvorstand eine Einschätzung zu von Ihnen erstellen Anlagerichtlinien wünschen, wenden Sie sich gern an unsere Kolleginnen und Kollegen der Braunschweiger Privatbank.

Jetzt Kontakt aufnehmen

 

Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine rechtliche Beratung dar und ersetzt diese nicht. Der Beitrag wurde auf Grundlage seriöser Quellen erstellt und soll der ersten Orientierung dienen.

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird durchgängig von dem "Stifter" gesprochen; dies negiert nicht die große Anzahl von Stifterinnen und Gemeinschaftsstiftern.

Wesentliche Quellen:

Bundesverband Deutscher Stiftungen: Anlagerichtlinien für Stiftungen: Grundlagen und Praxistipps für Stiftungen. Stiftungswissen Nr. 1, 2024; abrufbar im Mitgliederbereich der Website des Bundesverbands

Fußnoten:

1 in § 83c des BGB („Verwaltung des Grundstockvermögens“) heißt es lediglich:

„(1) Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten. Der Stiftungszweck ist mit den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen. Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens können für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, soweit dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen wurde und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist.

(2) Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass die Stiftung einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen darf. In einer solchen Satzungsbestimmung muss die Stiftung verpflichtet werden, das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder um den verbrauchten Teil aufzustocken.

(3) Durch Landesrecht kann vorgesehen werden, dass die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag einer Stiftung für einen bestimmten Teil des Grundstockvermögens eine zeitlich begrenzte Ausnahme von Absatz 1 Satz 1 zulassen können, wenn dadurch die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt wird.“ (Quelle: www.gesetze-im-internet.de/bgb/__83c)

2 Eine Beispielformulierung lautet wie folgt:

„Das Grundstockvermögen ist gemäß der Satzung in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Es ist mit Blick auf den Stiftungszweck, für den die Leistungskraft der Stiftung zu erhalten ist, sicher und ertragsbringend anzulegen. Vermögensumschichtungen sind nach den Regelungen ordentlicher Wirtschaftsführung zulässig.
Zur satzungsgemäßen Umsetzung dieser Ziele hat sich die _____ Stiftung Anlagerichtlinien gegeben, die im Folgenden zusammengefasst werden.
Die Vermögensanlage der Stiftung erfolgt im Sinne des Stifters und dient einzig und allein der Verfolgung der Stiftungszwecke (Bildung und Entwicklungshilfe).
Bei Gründung der Stiftung hat der Stifter deutlich gemacht, dass ihm an einer Anlage in einer ausgewogenen Mischung verschiedenster Anlageklassen ohne Fremdwährungsprodukte gelegen ist.
Dies kam auch in dem auf die Stiftung übertragenen Finanzanlagendepot zum Ausdruck.
Als Unternehmer und Inhaber eines mittelständischen Familienunternehmens befürwortete er stets unternehmerische Beteiligungen. In seinem wirtschaftlichen Handeln ging er wohlkalkulierte Risiken ein und verband dieses mit einem hohen Verantwortungsgefühl für seine Angestellten, seine Mitbürger und die Umwelt.” (Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen: Anlagerichtlinien für Stiftungen: Grundlagen und Praxistipps für Stiftungen. Stiftungswissen Nr. 1, 2024, S. 7)

3 Beim Screening von Investitionen anhand der sog. ESG-Kriterien – Environmental, Social and Governance  (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) – werden solche mit negativen ökologischen, sozialen oder ethischen Geschäftsmodellen ausgeschlossen. Der Investor entscheidet sich also dafür, etwas nicht zu tun., Quelle: Marx, Matthias: Impact Investing: Vermögensanlage von Stiftungen mit doppelter Rendite, 2023; kostenfrei abrufbar unter: www.engagementzentrum.de/magazin/detail/impact-investing

4 Laut Bundesverband Deutscher Stiftungen investieren Stiftungen hauptsächlich in die Anlageklassen Anleihen (festverzinsliche Wertpapiere/Renten, Aktien, Immobilen) und einige wenige prüfen Investitionen in alternative Investments (z.B. Private Equity). Sie nutzen dabei sowohl direkte (z.B. Aktien, Immobilien) als auch indirekte Anlageformen (z.B. Investmentfonds).; Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen: Anlagerichtlinien für Stiftungen: Grundlagen und Praxistipps für Stiftungen. Stiftungswissen Nr. 1, 2024,

5 meint beispielsweise, dass eine sich der Völkerverständigung und der friedlichen Konfliktlösung verschriebene Stiftung keine Aktien von Rüstungsunternehmen, eine den Klimaschutz bekämpfende Stiftung keine Aktien von „fossilen Energieunternehmen“ besitzt

6 Quelle: § 84a Abs. 2 BGB, abrufbar unter: https://dejure.org/gesetze/BGB/84a.html

7 zitiert in: Bundesverband Deutscher Stiftungen: Anlagerichtlinien für Stiftungen: Grundlagen und Praxistipps für Stiftungen. Stiftungswissen Nr. 1, 2024, S. 5

Zurück

Weitere interessante Neuigkeiten aus dem Non Profit-Bereich und speziell zu unseren Aktivitäten finden Sie auf unseren Social Media-Kanälen auf Facebook und Instagram sowie in unserem viermal im Jahr versendeten Newsletter. Wenn auch Sie unseren Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich gerne unterhalb an.

Zum Newsletter