Begrüßung und Keynote
Kurz nach 16 Uhr begrüßte Markus Beese, der Mitgeschäftsführerin Monika Schmidt in diesem Jahr bei dieser Aufgabe vertrat, die rund 40 Gäste im "BRAWO Campus" in der 17. Etage des Business Centers II der Volksbank BRAWO. Er stellte ihnen den Bereich "Corporate Responsibilty" der "BRAWO GROUP" vor, skizzierte das Portfolio des EngagementZentrums und lud sie dazu ein, insbesondere die Angebote in den Bereichen Stiftungsgründung, -beratung und -verwaltung, Veranstaltungen sowie Crowdfunding wahrzunehmen.
Im Anschluss daran stellte Matthias Marx den Gästen, nach einem kurzen Rückblick auf die 2017 begonnene Veranstaltungsreihe und deren Motivation, das Programm der rund dreistündigen Veranstaltung vor und leitete mit wenigen Worten zum Vortrag von Herrn Prof. Dr. Rainer Treptow über.
Keynote mit dem Titel „Kulturelle Bildung für benachteiligte Kinder und Jugendliche: Formen, Orte und Zugänge“
Rainer Treptow ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Seine Arbeitsfelder liegen in der Kulturellen Bildung, der Theorie und Geschichte der Sozialen Arbeit und des internationalen Vergleichs. Seit 2019 ist er im Ruhestand.
Herr Prof. Treptow wies zu Beginn seines Vortrags darauf hin, dass für das Kind das Spielen nicht nur eine lebenswichtige, sondern sogar eine überlebenswichtige Aktivität darstellt. Das Spiel, so betonte er, ist ein integraler Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Das Spiel verschwinde im Jugendalter nicht einfach, sondern wandele sich in komplexere Formen und reiche bis weit ins Erwachsenenalter. Historisch betrachtet entwickelte sich das Spiel u. a. zu künstlerischen Formen des Ausdrucks und der Bildung.
Um die aktuelle Situation des unterschiedlichen Zugangs und der Teilhabe an kultureller Bildung unter Heranwachsenden zu beschreiben, zitierte Herr Prof. Treptow eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlichte Aussage: „Fast ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland wächst aktuell in einer schwierigen Situation auf. Immer noch haben Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit geringen bildungsrelevanten Ressourcen weniger Zugang zu außerschulischen kulturellen Bildungsangeboten.“ (BMBF 2022).
Die Verantwortlichkeit Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu kultureller Bildung zu ermöglichen, käme allerdings nicht einem einzelnen, sondern mehreren Akteuren zu, wie er durch das folgende Zitat aus dem Sozialgesetzbuch VIII unterstrich:
„Kulturelle Kinder- und Jugendarbeit ist nach § 11 des SGB VIII (KJHG) ein Handlungsfeld der außerschulischen Jugendbildung. Ihr Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen und junge Menschen darüber zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt und sozial verantwortlich zu führen. Neben der Kinder- und Jugendhilfe haben auch der Kulturbereich und der formale Bildungsbereich eine Verantwortung für dieses Handlungsfeld.“ (Bockhorst 2018, S. 713, In: Böllert, Karin (Hrsg.) 2018: Kompendium Kinder- und Jugendhilfe. Wiesbaden. Springer VS.).
Im zweiten Abschnitt seines Vortrags ging Herr Prof. Treptow auf ausgewählte Formen kultureller Bildung näher ein. Er stellte eine gemeinnützige Organisation aus Kambodscha („Phare Ponleu Selpak“) vor, die eine Umgebung schaffen möchte, in der junge Menschen Zugang zu qualitativem künstlerischem Training, Bildung und sozialer Unterstützung finden. Mit Hilfe von Malerei und Musik, Tanz und Akrobatik sollen Kinder aus armen Verhältnissen in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden und eine Perspektive erhalten.
Auch in den Bereichen „Kinder- und Jugendtheater“, „Tanz“, „Musik“, „Museumskunst“ und „Fotografie“ führte Prof. Treptow verschiedene Beispiele aus der Praxis an und zitierte aus einem Bericht mit dem Titel „Bildung in Deutschland 2012“, der eine Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf vornahm: „Betrachtet man die Kontexte, in denen Jugendliche und junge Erwachsene ihren künstlerischen Praxen nachgehen, wird die große Bedeutung der nonformalen Orte für die musikalische und ästhetische Sozialisation junger Menschen deutlich (…). Über 60 % der aktiven Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren gehen ihrer künstlerischen Praxis in den pädagogisch gerahmten Kontexten von Musik- und Kunstschulen, Vereinen, Jugendzentren oder kirchlichen Gruppen nach. Betrachtet man darüber hinaus die jungen Menschen, die ausschließlich im Privaten, d.h. außerhalb von Organisationen oder Gruppen musikalisch-künstlerisch aktiv sind, zeigt sich, dass bildend-künstlerischen Praxen zu einem großen Teil ausschließlich im Privaten nachgegangen wird.“ (Grgic 2013, S.82/83)“
Er betonte in diesem Zusammenhang, dass Heranwachsende – damals wie heute – Räume benötigten, an denen sie selbstständig, „unbewacht“ und ohne Leistungsdruck kulturell tätig werden könnten.
Im abschließenden Abschnitt seines Vortrags gab Herr Prof. Treptow einen Einblick in ausgewählte Forschung. Er wies auf neben dem bis 2027 fortgeführten Förderprogramm „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auch auf die „Machmamit!“-Kampagne der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) im Rahmen des „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ des BMFSFJ hin. Ziel der Kampagne ist es, Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche sowie für eine breite Öffentlichkeit sichtbar zu machen, unter anderem durch eine interaktive Karte, in der Orte Kultureller Bildung und Einrichtungen, die kulturelle Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche eingetragen werden können.
Seinen Vortrag beendete Herr Prof. Treptow mit einem Zitat, dass verdeutlichte, dass sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zwar durch die Teilnahme an kulturellen Projekten persönlich profitierten, aber kulturelle Bildung nicht strukturelle soziale Probleme lösen könne. „Die Tatsache, dass in Kulturprojekten auch Kinder- und Jugendliche, die in benachteiligten Lebenssituationen aufwachsen, umfassende Mitgestaltungsmöglichkeiten erfahren und sicherlich auch als Persönlichkeiten daran wachsen, darf nicht dazu verleiten, die Wirkmächtigkeit sozialer Ungleichheiten zu verkennen. Sie lassen sich allein mit kulturellen Mitteln nicht auflösen.“ (Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung 2015, S.9).
Sollten Sie sich für die Präsentation des Vortrags interessieren, so wenden Sie sich bitte an Herrn Prof. Dr. Treptow (Email: rainer.treptow@uni-tuebingen.de).